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Herzrhythmusstörungen: Frauenherzen geraten anders aus dem Takt

Männer und Frauen leiden häufig an unterschiedlichen Formen einer Herzrhythmusstörung - welche sind es?

Aktualisiert: 16.08.2022

Frau betrachtet geschriebenes EKG
Artemenko_Daria

Frauenherzen schlagen anders als Männerherzen. Bestimmte Herzrhythmusstörungen kommen beispielsweise häufiger bei Männern, andere vorwiegend bei Frauen vor. Was das für die Gesundheit der Frauen bedeutet, lesen Sie hier.

Eine typisch weibliche Herzrhythmusstörung: die AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT)

Frauen und Männer sind unterschiedlich – auch, wenn es um Gesundheit und Krankheit geht. Bei Herzrhythmusstörungen gibt es beispielsweise „typisch männliche“ und „typisch weibliche“ Formen, d.h. solche, die mehr bei Männern und solche, die mehr bei Frauen auftreten.

Als typisch weiblich gilt beispielsweise die sogenannte AV-Knoten-Reentry-Tachykardie, auch AVNRT genannt. Sie ist eine bestimmte Form einer supraventrikulären Tachykardie; eine schnelle Herzrhythmusstörung, die vom AV-Knoten ausgeht. Etwa zwei Drittel der Betroffenen sind weiblich. Diese Herzrhythmusstörung kann in jedem Lebensalter auftreten, meist jedoch zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

Typisch männlich ist hingegen das sogenannte WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom) – eine Rhythmusstörung, bei der zwei Drittel der Patienten Männer sind. Grundlage dieser Rhythmusstörung ist die Existenz einer zusätzlichen Leitungsbahn zwischen Vorhof und Herzkammer.

Beide Rhythmusstörungen führen zu anfallsartigem, plötzlichen Herzrasen. Sie beruhen auf einer kreisenden elektrischen Erregung im Herzen, die nicht dem normalen Herzzyklus entspricht.

Diagnose und Therapie bei Männern und Frauen

Für die Diagnose der sowohl eher männer- als auch frauentypischen Herzrhythmusstörungen wird neben der Schilderung der Symptome ein EKG während des Herzrasens benötigt. Die Rhythmusstörung tritt meist plötzlich und unvermittelt auf und dauert manchmal nur wenige Minuten an, sodass es oft schwierig ist, die Rhythmusstörung rechtzeitig mittels EKG zu erfassen. Die Diagnose verzögert sich dadurch manchmal um Jahre.

Sowohl bei der eher für Frauen typischen AVNRT als auch bei dem eher für Männer typischen WPW- Syndrom bestehen sehr gute Therapieoptionen: Als Akutmaßnahme zur Unterbrechung des Anfalls kommt die Gabe von Medikamenten in Betracht. Auch das sogenannte Valsalva-Manöver kann einen zu schnellen Herzschlag unter Umständen wieder in ein normales Tempo bringen. Das Valsalva-Manöver erhöht den Druck im Brustkorb, wodurch ein bestimmter Nerv stimuliert (Vagusnerv) wird. Das verlangsamt die Weiterleitung elektrischer Reize im Herzen. Die Unterbrechung des Herzrasens mittels Valsalva-Manöver gelingt in der Regel allerdings nur bei der AVNRT. Beim Valsalva-Manöver legt man sich auf den Rücken und richtet den Oberkörper etwas auf. Dann spannt man die Bauchmuskeln an und presst in den Bauch hinein. Eine andere Variante ist, den Mund zu schließen, sich die Nase zuzuhalten und zu versuchen, mehrere Sekunden kräftig auszuatmen. Diese Variante kann man im Liegen oder Sitzen ausführen. 

Als dauerhafte Form der Behandlung ist die Katheterablation das Verfahren der ersten Wahl. Bei der Katheterablation werden die für die kreisende Erregung verantwortlichen Bereiche im Herzen mit Hochfrequenzstrom („Hitze“) oder mittels Kälte verödet.

Frauen lassen sich später behandeln als Männer

Die Katheterablation ist bei Männern und Frauen gleichermaßen hocheffektiv und sicher. Die Erfolgsquote des Verfahrens ist bei diesen beiden Rhythmusstörungen mit rund 96 Prozent hoch, die Komplikationsrate mit weniger als einem Prozent gering. Auffällig ist jedoch, dass sich Frauen im Durchschnitt später zur Ablationsbehandlung vorstellen als Männer. Es wird vermutet, dass Frauen möglicherweise eine eher abwartende Haltung gegenüber einem invasiven Eingriff einnehmen und vielleicht zunächst einen medikamentösen Therapieversuch vorziehen. Man geht außerdem davon aus, dass die schwierige Diagnose mittels EKG-Aufzeichnung durch eine Fehlinterpretation der Tachykardie als psychosomatische Beschwerden bei Frauen länger verzögert wird als bei Männern.

Frauen haben seltener Vorhofflimmern als Männer, leiden aber mehr darunter

Vorhofflimmern betrifft viele Menschen. In Deutschland sind es etwa 1,8 Millionen – also rund 2 Prozent der Bevölkerung. Im Alter nimmt die Häufigkeit stark zu. Bei über 80-Jährigen liegt der Anteil der Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern – je nachdem, ob Begleiterkrankungen vorliegen – bei 15 bis 25 Prozent. Frauen sind seltener von Vorhofflimmern betroffen als Männer. Wenn es allerdings auftritt, leiden sie stärker darunter, äußern mehr Besorgnis und Angst und erleben eine stärkere Beeinträchtigung ihres Alltags.

Mit Vorhofflimmern steigt zudem das Schlaganfallrisiko: Mindestens 20 Prozent aller Schlaganfälle werden auf Vorhofflimmern zurückgeführt. Ein solcher Schlaganfall verläuft bei Frauen im Durchschnitt schwerwiegender als bei Männern und führt so häufiger zu bleibenden Schäden. Das Risiko scheint vor allem in der Altersgruppe der 65- bis 75-jährigen Frauen größer als bei Männern zu sein, lässt sich aber durch eine vorbeugende gerinnungshemmende Medikation erheblich reduzieren.

Um Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen, empfehlen die Fachgesellschaften ab dem 65. Lebensjahr das Erlernen des Pulstastens. Vor allem bei Risikopatientinnen und -patienten mit Bluthochdruck oder Schlafapnoe sollten regelmäßig Blutdruckmessungen/Langzeit-EKG-Untersuchungen durchgeführt werden, um unbemerktes Vorhofflimmern zu entdecken.

Therapiemöglichkeiten bei Vorhofflimmern

Die Therapie des Vorhofflimmerns besteht aus folgenden Eckpfeilern:

durch Einsatz von Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen, nach individueller Risikoabwägung

durch Medikamente wie z.B. Betablocker.

wie Bluthochdruck, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, der Herzschwäche, der Herzklappen, der Schilddrüse, Übergewicht und Schlafapnoesyndrom

wenn das Vorhofflimmern länger als 24 Stunden anhält, Symptome verursacht und/oder die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, und wenn die Anfälle von Vorhofflimmern mit zunehmender Häufigkeit und Dauer auftreten.

Behandlung der ersten Wahl: die Katheterablation

Sowohl für Männer als auch für Frauen mit wiederkehrenden Beschwerden und entsprechendem Leidensdruck ist die Katheterablation die Therapie der Wahl. Alternativ oder ergänzend kann eine medikamentöse Therapie mit sogenannten Antiarrhythmika erfolgen, die Vorhofflimmern unterdrücken sollen.

Die Katheterablation bei Vorhofflimmern ist in der Regel eine sichere und effektive Behandlungsmöglichkeit, um den Herzrhythmus zu erhalten. Bei Frauen wurde in Studien allerdings die Katheterablation seltener und in höherem Alter angewandt als bei Männern. Eine Rolle spielt hierfür eine stärkere Zurückhaltung der Frauen gegenüber einem invasiven Eingriff – aber auch die Tatsache, dass Frauen seltener an Vorhofflimmern erkranken.

Die Patientinnen sind bei ihrer Vorstellung zur Ablation vier bis sechs Jahre älter. Sie weisen deshalb im Durchschnitt häufiger zusätzlich Bluthochdruck, Erkrankungen der Herzklappen oder eine Pumpschwäche des Herzens durch eine Versteifung des Herzmuskels auf. Diese zusätzlichen Erkrankungen gelten als Ursache für eine leicht erhöhte Komplikationsrate und etwas geringere Erfolgsaussichten im Vergleich zu Männern.

Im direkten Vergleich zwischen jüngeren Männern und älteren Frauen kommt es zwar bei der Katheterablation von Frauen mit Vorhofflimmern etwas häufiger zu einem erneuten Rezidiv. Trotzdem kann man Frauen genauso wie Männern in über 90 Prozent der Fälle mit ein bis drei Prozeduren zu einer besseren Lebensqualität mit der Ablation verhelfen. Damit ist die Katheterablation auch für viele Frauen mit Vorhofflimmern eine gute Behandlungsoption.

Direkte Orale Antikoagulantien wirken sowohl bei Männern als auch bei Frauen

Zur Vorbeugung eines Schlaganfalls werden heute oft die sogenannten DOAKs (Direkte Orale Antikoagulantien) zum Schutz vor einem Schlaganfall eingesetzt. Diese Medikamente wirken bei Frauen und Männern gleich effektiv und sicher. Früher war das anders, als ausschließlich Gerinnungshemmer wie Marcumar oder Falithrom eingesetzt wurden. Hier kam es während der Therapie bei Frauen häufiger zu einem Schlaganfall als bei Männern.

Unterschiede bei Rhythmusstörungen, die von den Herzkammern ausgehen

Bei den sogenannten Kammertachykardien handelt es sich um anhaltende, schnelle Rhythmusstörungen aus der Herzkammer, die in der Regel gefährlich sind. Man unterscheidet zwischen Kammertachykardien, die auf dem Boden einer Erkrankung der Herzmuskulatur entstehen und solchen, die ohne erkennbare Ursache auftreten. Letztere machen aber nur etwa ein Zehntel der Kammertachykardien aus.

Diese Kammertachykardien kommen zumeist aus dem sogenannten Ausflusstrakt der linken oder rechten Herzkammer (LVOT oder RVOT = left oder right outflow tract). Kammertachykardien auf dem Boden einer strukturellen Herzerkrankung sind bei Frauen signifikant seltener als bei Männern. Häufiger bei Frauen hingegen sind die RVOT-Tachykardien, die keine fassbaren Ursachen haben und sehr gut mit einer Ablation behandelt werden können.

Zu den Kammerrhythmusstörungen gehört außerdem die ventrikuläre Extrasystolie (Extra-Schläge aus der Herzkammer kommend), die das Gefühl von Herzstolpern hervorrufen.In den meisten Fällen sind diese sowohl bei Männern als auch bei Frauen harmlos. Sind die Extraschläge sehr häufig (>15-20%), können sie eine Verschlechterung der Pumpleistung des Herzens verursachen. Sie sind meist gut mit Medikamenten behandelbar. In einigen Fällen kann eine Verödung mittels Katheterablation bei Männern und Frauen mit einer gleichermaßen guten Erfolgsaussicht durchgeführt werden. Der Extrasystolie liegt bei Frauen deutlich seltener eine Erkrankung der Herzmuskulatur durch z.B. eine Verengung der Herzkranzgefäße zugrunde als bei Männern. Wie bei den anhaltenden Kammertachykardien ist der Ausflusstrakt der rechten Herzkammer bei Frauen deutlich häufiger der Ursprungsort der Extraschläge als bei Männern.

Plötzlicher Herztod: Frauen sind weniger gefährdet

Frauen sind viermal weniger gefährdet als Männer, am plötzlichen Herztod zu versterben. Das wird zumeist dadurch erklärt, dass die koronare Herzkrankheit (KHK) bei Frauen seltener auftritt als bei Männern – sie ist die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod. Auch wenn man die üblichen Risikofaktoren wie die koronare Herzkrankheit oder Herzschwäche mit statistischen Methoden aus der Risikokalkulation herausrechnet, sind Frauen immer noch deutlich weniger gefährdet. Anders formuliert: Frauen mit koronarer Herzerkrankung haben ein geringeres Risiko für den plötzlichen Herztod als Männer. Von Wissenschaftlern diskutiert werden hormonelle Einflüsse durch Östrogene, die die Eigenschaften von Herzmuskelzellen verändern und somit die Anfälligkeit der gesamten Herzmuskulatur für Kammerrhythmusstörungen beeinflussen. Eine weitere mögliche Erklärung ist eine andere Reaktion des weiblichen Nervensystems auf Stress.

Expertin

Prof. Dr. med. Ellen Hoffmann
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  1. Nicht jede Herzrhythmusstörung muss behandelt werden. Eine Abklärung der Ursachen ist dennoch sinnvoll.
  2. Nur jeder zweite Betroffene spürt Symptome. Eine Behandlung ist wichtig, um das Schlaganfallrisiko zu senken.
  3. Welche Herzerkrankungen führen zum Sekundentod? Welche Risikofaktoren sind bekannt? Und was sollte man im Notfall unternehmen? Das lesen Sie hier.
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