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Herzmuskelentzündung: Was bei Covid-19 bekannt ist

Fragen und Antworten zu Risiken durch Covid-19-Erkrankung und Impfung

Aktualisiert: 04.04.2023

Arzt hört mit Stethoskop Herz ab
©DC Studio - stock.adobe.com

Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann auch das Herz angreifen und in einigen Fällen womöglich zu einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) führen. Immer wieder wird zudem darüber diskutiert, wie hoch das Risiko ist, dass im Nachgang einer Covid-19-Impfung, vor allem mit einem sogenannten mRNA-Impfstoff, eine Entzündungen am Herzmuskel, teilweise auch am Herzbeutel (Perikarditis) auftritt. Im Artikel fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und wie Kardiologen die Risiken einschätzen.

Was ist eine Myokarditis?

Die Myokarditis, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Herzmuskelentzündung bezeichnet, ist eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels, bei der häufig Erreger (überwiegend Viren) das Muskelgewebe des Herzens, das sogenannte Myokard, befallen. Sie dringen in die Zellen ein, was zur Zerstörung des Herzmuskelgewebes führen kann. Der Prozess kann im Herzen regional begrenzt sein, aber im schlimmsten Fall auch den ganzen Herzmuskel betreffen. Oft kann die körpereigene Immunabwehr diesem Prozess entgegenwirken und eine Ausheilung erreichen. In einigen Fällen allerdings sind gerade die körpereigenen Schutzmechanismen mit Bildung von Abwehrzellen und spezifischen Eiweißkörpern an den Zerstörungsprozessen stark beteiligt. Warum das manchmal der Fall ist – selbst wenn der Erreger gar nicht mehr nachweisbar ist – ist noch nicht geklärt.

Art, Ausmaß, Dauer und verbleibender Endzustand dieses Entzündungsvorgangs (Inflammation) und der Gewebeschädigung sind individuell stark unterschiedlich, sodass Verlauf und Prognose einer Myokarditis schwer vorherzusagen sind. Auch Schadstoffe (etwa Strahlen oder bestimmte Medikamente) könnten einen Reiz auslösen, der das Abwehrsystem aktiviert und Entzündungsprozesse in Gang setzt.

Grundsätzlich werden drei Verlaufsformen einer Myokarditis unterschieden:

  • subklinische Myokarditis (oft gar nicht bemerkt, heilt i.d.R. ohne schwere Komplikationen ab)
  • akute Myokarditis (klassische Form mit akuter Beeinträchtigung der Herzfunktion)
  • chronische Myokarditis (Entzündungsvorgänge im Herzgewebe bestehen mehr oder minder aktiv fort)

Bei einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis) laufen ähnliche Entzündungsprozesse wie bei der Herzmuskelentzündung ab. Die betreffen in diesem Fall die Bindegewebshülle (Perikard), die das Herz komplett umschließt und in seiner Form hält. Das Perikard grenzt direkt an das Herzmuskelgewebe. Auch hier werden ein akuter und ein chronischer Verlauf unterschieden. Männer zwischen 20 und 50 Jahren scheinen das höchste Risiko für eine Perikarditis zu haben.

Was sind typische Symptome einer Herzmuskelentzündung?

Ein einzelnes, spezifisches und zuverlässiges Leitsymptom gibt es nicht! Oft gehen die ersten Anzeichen in den allgemeinen Infektionsbeschwerden unter und werden nicht aufs Herz bezogen. Aufmerksam sollte man werden, wenn nach dem Abklingen der Infektionssymptome wie Fieber, Schwindel, Muskelschmerzen oder auch Durchfall, diese Beschwerden anhalten bzw. neu auftreten

  • Atemnot bei Anstrengung,
  • Herzrasen,
  • Herzstolpern (Rhythmusstörungen),
  • Herzschmerzen (vor allem bei einer Perikarditis)
  • unerklärliche Müdigkeit und Abgeschlagenheit,
  • körperliche Schwäche.

So unspezifisch die Symptome sind, so schwierig ist gerade bei milden Verlaufsformen auch die Diagnose. Für die Klärung des Verdachts werden an erster Stelle vom Arzt zunächst EKG, Röntgenbild und Echokardiographie eingesetzt. Wichtig sind dann im weiteren Verlauf auch eine Magnetresonanztomographie des Herzens (kMRT) und Blutuntersuchungen. Bei den Laborwerten ist vor allem das Troponin ein wichtiger Hinweisgeber auf eine Myokarditis.

Wie wird bei einer Myokarditis behandelt?

Auch für die Behandlung bei einer Myokarditis gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Sie wird im Einzelfall auf die Schwere und den Verlauf der Herzmuskelentzündung abgestimmt. Bei einem asymptomatischen (falls überhaupt erkannt) oder unkomplizierten Verlauf erfolgt zwar eine aufmerksame Beobachtung, jedoch häufig keine spezielle Therapie. Bei Patienten mit merklichen Symptomen werden im Wesentlichen drei Ziele verfolgt:

  • Stabilisierung der Pumpfunktion des Herzmuskels durch Unterstützung und Entlastung etwa mit Medikamenten
  • Bekämpfung des Entzündungsprozesses, um Schäden am Herzmuskel zu mindern
  • Behandlung von Rest- und Folgezuständen, um das Risiko zu vermeiden, dass der Entzündungsprozess fortschreitet.

Mehr zur Therapie lesen Sie hier: Behandlung und Dauer der Herzmuskelentzündung.

Ansonsten ist Schonung angeraten. Intensive sportliche Aktivitäten sollten nach einer sicher anzunehmenden Myokarditis etwa sechs Monate vermieden werden und erst nach einer kardiologischen Kontrolluntersuchung mit unauffälligen Befunden wieder aufgenommen werden.

Die Langzeitprognose nach einer akuten, nicht wesentlich kompliziert verlaufenen Virusmyokarditis ist überwiegend positiv. Bei etwa 70 % der Patienten ist von einer kompletten Heilung auszugehen. Bei einigen Betroffenen bleiben leichte Beschwerden durch eine Vernarbung im Herzmuskel, u.a. leichte Rhythmusstörungen, zurück. Bei Patienten mit bereits vorhandener ausgeprägter Herzinsuffizienz ist die Prognose hingegen deutlich schlechter. Schätzungsweise 15 % der Patienten entwickeln zudem chronische Verläufe, die in seltenen Fällen dann z.B. zu einer fortschreitenden und irreversiblen Herzinsuffizienz führen.

Wie kann die Covid-19-Erkrankung den Herzmuskel schädigen?

Viren sind generell die häufigsten Auslöser einer Herzmuskelentzündung. In der Anfangsphase einer viralen Myokarditis dringt der Erreger in die Zelle ein und vermehrt sich dort durch Herstellung von Selbstkopien. Dazu muss das Virus mit einem eigenen, spezifischen Antigenteil an seiner Hülle, ähnlich einem Schlüssel, mit einem ebenso spezifischen Rezeptor an der Zelle, vergleichbar mit dem passenden Schloss, verbinden. Und genau so einen Schlüssel besitzt auch der Covid-19-Erreger auf seiner Zelloberfläche für den ACE2-Rezeptor, der als Schloss fungiert und auf Lungen- und Herzzellen zu finden ist. Im Labor konnten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung zum Beispiel nachweisen, das SARS-CoV-2, das vor allem die Lunge angreift, auch in Herzmuskelzellen eindringen kann1.

Auch in Gewebeproben (Myokardbiopsien) von Covid-19-Patienten haben Kardiologen den Erreger nachweisen können. Bereits früh war zudem aufgefallen, dass es bei einigen Patienten mit Covid-19 zu einem Anstieg des Herzinfarktmarkers Troponin kommt – oft erst nach Abklingen der eigentlichen Infektionssymptome.

Weitere Untersuchungsdaten erhärten inzwischen den Verdacht, dass das Virus SARS-CoV-2 Schäden direkt am Herzen verursachen kann. So haben zum Beispiel US-amerikanische Forscher aus Ohio2 bei 15 Prozent der untersuchten Sportler nach symptomarmer Covid-19-Erkrankung einen kardialen Befund bei einer Magnetresonanzuntersuchung (kMRT) festgestellt, der für eine Myokarditis sprach. Und auch an der Universitätsklinik in Frankfurt untersuchte im Sommer 2020 das Team von Professor Eike Nagel 100 Menschen mit einer kMRT, bei denen in der Vorgeschichte ein positiver SARS-CoV-2-Test und Covid-19-Symptome vorlagen3. Bei insgesamt 78 Patienten fanden die Kardiologen Zeichen, die für eine Herzbeteiligung sprachen, bei 60 waren Anzeichen für eine kardiale Entzündung vorhanden.

Andererseits: In einer kleineren Studie aus Dänemark wurden die Spätschäden bei 58 Patientinnen und Patienten ein halbes Jahr nach einer moderat bis schwer verlaufenen Covid-19-Erkrankung untersucht. Dabei zeigte sich nur bei 12 von ihnen noch ein abnormaler Befund im MRT des Herzens (kMRT: z.B. stark eingeschränkte linksventrikuläre Auswurfleistung unter 50 % oder vernarbtes Herzmuskelgewebe). Die Erkrankten mit auffälligen kMRT-Befunden hatten zuvor bei Einweisung in die Klinik alle deutliche erhöhte Herzmarker wie Troponin T aufgewiesen. 4 Und auch Forscher des Cardioangiologisches Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt a. M. konnten nur bei einem von 56 zuvor herzgesunden Patienten nach einer Covid-19-Erkrankung, die Herzbeschwerden hatten, in der bildgebenden Diagnostik (kMRT) eine Myokarditis bestätigen. 

Wie groß letztlich das Risiko für eine Myokarditis und vor für allem bleibende kardiale Schäden durch Covid-19 ist – bei Herzgesunden und vor allem auch bei Patienten mit bereits vorgeschädigten Herzen – ist somit noch nicht ganz klar. Eines kristallisiert sich allerdings aus den bisher vorliegenden Daten heraus: Das Risiko einer schweren (akuten) Herzschädigung ist bei einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 offenbar merklich größer als bei einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff zum Schutz vor Covid-19. Das hat zum Beispiel die Auswertung der Daten von rund 1,7 Millionen Menschen mit und ohne Impfung aus Israel ergeben.

Und auch wie der Schädigungsprozess konkret abläuft, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Professor Dr. med Karin Klingel, die derzeit am Universitätsklinikum Tübingen in einem von der Deutschen Herzstiftung geförderten Projekt das Myokarditispotenzial des Erregers SARS-CoV-2 erforscht sagt: „Bisher lässt sich kein SARS-CoV-2 spezifisches molekulares Schadensmuster erkennen. Wir haben bei unseren Untersuchungen des Herzmuskelgewebes von Covid-19-Patienten in den allerwenigsten Fällen zerstörte Herzmuskelzellen gefunden, die durch lymphozytäre Entzündungsprozesse hervorgerufen wurden. Man würde dann medizinisch von einer viralen lymphozytären Myokarditis sprechen.“ Kleine Unterschiede fänden sich im Muster der Abwehrzellen, aber eine Erklärung dafür stehe noch aus.

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Kann auch eine Covid-19-Impfung das Herz schädigen?

Meldungen über den Verdacht einer Myokarditis oder Perikarditis im zeitlichen Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff haben dazu geführt, dass Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) als mögliche Nebenwirkung in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe (Comirnaty/Biontech und Spikevax/Moderna) inzwischen aufgenommen wurden. Wie das Paul Ehrlich-Institut (PEI) in seinem Sicherheitsbericht vom Februar 2022 erneut betont, treten die Fälle in Übereinstimmung mit anderen, internationalen Daten (vor allem aus Israel und den USA) überwiegend bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern bis 29 Jahren auf – meist innerhalb weniger Tage nach der Impfung und häufiger nach der zweiten Dosis einer mRNA-Covid-19-Impfung.

Generell sollen Patienten und Ärzte/medizinisches Fachpersonal nach einer Covid-19-Impfung nun auf die Zeichen einer Myokarditis und Perikarditis achten:

  • Atemnot/Kurzatmigkeit,
  • ein starker Herzschlag, der unregelmäßig sein kann (Palpitationen)
  • Schmerzen in der Brust

Update

Frau mit Pflaster auf dem Arm hält Herz mit einer gemalten Spritze in der Hand
Ratana21 - stock.adobe.com
Aktuelle Studiendaten geben ein genaueres Bild zu den Impfrisiken. Nach wie vor gilt ein Herzschaden als selten.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Portrait von Prof. Thomas Meinertz

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  1. Die Omikron-Welle scheint den Wendepunkt erreicht zu haben. Zeit zum Durchschnaufen? Hören Sie, was die Wissenschaft inzwischen weiß - und was nicht.
  2. Studien gehen von einem geringen Herzrisiko etwa einer Myokarditis infolge Covid-Impfung aus. Ist das auch in der Praxis so? Ein Kardiologe beruhigt.
  3. Was weiß man inzwischen über Herzschäden nach Corona-Infektionen wie auch Covid-19-Impfungen? Im Podcast-Gespräch gibt PD Dr. Dominik Rath Aufschluss.

Forschungsförderung

1. Cardiovascular Research, Volume 116, Issue 14, 1 December 2020, Pages 2207–2215

2. JAMA Cardiol. 2021;6(1):116-118. doi:10.1001/jamacardio.2020.4916

3. JAMA Cardiol. 2020 Nov 1;5(11):1265-1273. /doi:10.1001/jamacardio.2020.3557.

4. AHJ 2021, online 13.August; doi.org/10.1016/j.ahj.2021.08.001

Frau schaut auf Ihr Handy und bekommt eine Nachricht
oatawa - stock.adobe.com

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