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Neuartige Thrombose – sehr selten, aber gefährlich

Covid-Impfungen können eine breite Autoimmunantwort gegen Thrombozyten auslösen. Herzstiftung unterstützt Projekt zur Erforschung des Mechanismus.

Frau mit Mundschutz bekommt eine Imfpung
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Von 100.000 Patienten sind 1-2 betroffen

Bereits Anfang 2021 beobachteten Ärzte und Wissenschaftler, dass nach einer Impfung mit Adenovirus-basierten Impfstoffen wie Vaxzevria (AstraZeneca) und Johnson&Johnson seltene Komplikationen auftraten. Bei den betroffenen Patienten entwickelten sich innerhalb von 5 bis 30 Tage nach der ImpfungThrombosen (Blutgerinnsel) an untypischen Stellen, z.B. in den Hirnvenen (Sinusvenenthrombosen) und der Milz. In der Fachwelt wurde dieses Phänomen als Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie, kurz VITT, bekannt. Von 100.000 Geimpften sind zwar nur ein bis zwei Personen nach Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) betroffen. Dennoch waren nach Bekanntwerden dieser Impfnebenwirkung viele Patienten, gerade mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark verunsichert. Denn ihre Grunderkrankung geht bekanntlich ebenfalls mit erhöhten Risiken für Blutgerinnsel einher. 

Auch wenn in Deutschland die Adenoviren-basierten Covid-Impfstoffe kaum mehr verwendet werden, ist es für die Entwicklung künftiger Impfstoffe und anderer Medikamente wichtig zu verstehen, wie es zu dieser gefährlichen Nebenwirkung kommen kann. Die Deutsche Herzstiftung fördert daher ein zweijähriges Forschungsprojekt, das sich näher mit den Ursachen und Mechanismen beschäftigt. Dazu erhält Dr. med Leo Nicolai von der Abteilung Kardiologie am Klinikum der Universität München eine Fördersumme von rund 69.000 Euro

Darstellung von Thrombozyten
© phonlamaiphoto (stock.adobe.com) Blutplättchen sind für die Gerinnung verantwortlich. Zudem übernehmen sie eine wichtige Funktion in der Immunantwort. Sie sind die ersten Zellen, die Eindringlinge wie Viren gut erkennen.

Falsche Immunreaktion

Bekannt ist bereits, dass Thrombozyten, die Blutplättchen, eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielen. Normalerweise dienen sie dazu, Gefäßverletzungen rasant zu verschließen, um Blutungen zu verhindern. Sie sind aber auch gegenüber Eindringlingen wie Viren sehr reaktiv.  Und auch nach der Impfung reagieren die Blutplättchen auf Bestandteile des Vakzins. Ein Eiweiß der Thrombozyten, der körpereigene Plättchenfaktor 4 (PF4), wird zum Beispiel durch den Impfstoff aktiviert. Der Körper produziert dann Antikörper gegen diesen Plättchenfaktor 4 und greift sich selbst an. Die Folge: Die Zellen verklumpen und bilden eine Thrombose. Außerdem kommt es zeitversetzt zu einem Abfall der Blutplättchenzahl (Thrombozytopenie). „Nach der Impfung gibt es bei einigen wenigen Patienten eine breite autoimmune Antwort gegen die Thrombozyten, eine Fehl-Ausrichtung des eigenen Immunsystems gegen die körpereignen Blutplättchen“, so Dr. Nicolai. „Dank der Unterstützung der Herzstiftung können wir nun untersuchen, welche genauen Mechanismen für die Gerinnselbildung (VITT) verantwortlich sind und wie wir diese verhindern können.“

Nicolai und sein Team gehen in ihrem Forschungsprojekt mit umfangreichen Laboruntersuchungen unter anderem der Frage nach, wie genau die Thrombozyten mit dem Impfstoff interagieren. Außerdem untersuchen sie, welche Rezeptoren beteiligt sind und wie die Antikörper den Plättchenfaktor 4 erkennen und aktivieren. „Da diese Art der Thrombose eine Autoimmunreaktion des Körpers darstellt, hat sie auch nichts mit klassischen Risikofaktoren wie „Pille“, Übergewicht oder Immobilität zu tun“, erläutert Nicolai.

Bild von Dr. med. Leo Nicolai
© privat Dr. med. Leo Nicolai, Klinikum der Universität München, Kardiologie

Welche Rolle spielt die Injektionsart?

In Vorversuchen hatten Nicolai und Kollegen bereits erforscht, wie sich eine intravenöse und eine intramuskuläre Gabe des Adenovirus-basierten Impfstoffes auswirken. Erste Untersuchungsdaten zeigen hierbei, dass wohl eine Injektion in die Blutbahn die fehlgeleitete Autoimmunantwort auslösen kann, da der Impfstoff direkt auf die Blutplättchen trifft. Bei einer Gabe in den Muskel war dies nicht der Fall. Die Forscher folgern daraus, dass vermutlich ein versehentlich in die Blutbahn verabreichter Impfstoff den Immunprozess auslöst, der zu einer impfassoziierten Thrombozytopenie, aber möglicherweise auch Thrombose führen kann.

„Wie bei den neu entwickelten mRNA-Impfstoffen werden auf Gentechnik basierende Therapien zukünftig enorm an Bedeutung gewinnen. Dieses Projekt hilft, unser Verständnis des Zusammenspiels von Thrombozyten und Immunsystem auch in anderen kardiovaskulären Erkrankungen besser zu verstehen und leistet damit einen zukunftsweisenden Beitrag zur Grundlagenforschung und Herzgesundheit“, so die Einschätzung von Prof. Thomas Voigtländer, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Herzstiftung.

Wie kann man Thrombosen nach einer Impfung erkennen?

Als typische Beschwerden nennt die Europäische Arzneimittelagentur folgende Symptome:

  • Kurzatmigkeit
  • Schmerzen im Brustkorb
  • Schwellungen in einem Bein oder in beiden Beinen
  • anhaltende Bauchschmerzen
  • winzige Blutflecken unter der Haut (Petechien) jenseits der Injektionsstelle
  • neurologische Beschwerden wie anhaltende Kopfschmerzen oder verschwommene Sicht

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Finger der ein Herz mit EKG zeichnet
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