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Gerd-Killian-Fonds 2020

Fontan-Versagen: Risiko besser abschätzen

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© DHS / Kai Rüenbrink Die Preisträgerin Dr. Anja Hanser, Kinderkardiologin, mit Professor Dr. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung

Das Eiweißverlust-Syndrom oder „Failing Fontan“ ist eine lebensbedrohliche Folgeerkrankung, die bei bis zu zehn Prozent der Herzkinder nach einer sogenannten Fontan-Operation auftritt. Mit der diesjährigen „Gerd Killian-Projektförderung“ der Deutschen Herzstiftung wurden Forschungsarbeiten ausgezeichnet, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Marker zu finden, die ein drohendes Versagen der Fontan-Zirkulation zuverlässig und frühzeitig anzeigen können.

Kinder mit nur einer funktionstüchtigen Herzkammer benötigen in den ersten Lebensjahren mehrere aufeinander abgestimmte Herzoperationen. Das Ergebnis dieser Operationen ist eine sogenannte Fontan-Zirkulation: Hierbei fießt das Blut aus dem Körperkreislauf direkt ohne unterstützende Herzkammer in die Lunge, wird dort mit Sauerstoff angereichert, um dann von der einen vorhandenen, funktionstüchtigen Kammer in den Körperkreislauf gepumpt zu werden. Eine Fontan-Operation führt somit zur Trennung von Körperkreislauf und Lungenkreislauf und hebt die bei Geburt bestehende Durchmischung von sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut auf. Wegen des weiterhin bestehenden Fehlens einer zweiten Herzkammer stellt dieses Verfahren jedoch keine Korrekturoperation im engeren Sinne dar, sondern dient als sogenannter palliativer Eingriff lediglich einer Linderung des Herzfehlers, in diesem Falle der Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktion. Auch wenn das Vorgehen ein Überleben mit einer einzigen Herzkammer überhaupt ermöglicht, bleibt das Endergebnis wegen der fehlenden Herzkammer mittel- und langfristig mit Problemen behaftet.

Zu den möglichen Folgeerkrankungen einer Fontan-Zirkulation zählt das sogenannte Eiweißverlust-Syndrom. Hierbei gehen Eiweiße, auch solche, die zur Infektabwehr vom Körper benötigt werden, über den Darm verloren. Es treten Durchfälle und Störungen des Salz-Wasser-Haushaltes mit Wassereinlagerungen im gesamten Körper (Ödemen) auf. Zudem fießt das Blut in einem Fontan-Kreislauf anders als mit einem gesunden Herzen. Die so entstehenden komplexen Druck- und Flussverhältnisse können schwerwiegende Veränderungen der Lymphgefäße verursachen, die zu einem Austritt von Lymphfüssigkeit in die Lungen führen. Dieses mit Husten und schwerer Atemnot verbundene Krankheitsbild, die sogenannte Bronchitis plastica, ist lebensbedrohlich.

Warum versagt der Fontan-Kreislauf?

Bei Auftreten solcher Folgeerkrankungen spricht man von einem Failing Fontan (Versagen des Fontans). Ist dieses eingetreten, kann das Fehlen einer zweiten Herzkammer nicht mehr kompensiert werden. Es kommt zu einer schubweisen Verschlechterung des Patienten. Eine Herztransplantation kann erwogen werden, ist aber mit erhöhtem Risiko verbunden. Das Auftreten eines Eiweißverlust-Syndroms wird in den ersten zehn Jahren nach Fontanoperation mit 4 bis 10  Prozent angegeben. Tritt dieses ein, ist die Sterblichkeit hoch.

Unklar bleibt jedoch: Welche Fontan-Patienten entwickeln diese Komplikation und zu welchem Zeitpunkt? Diesen Fragen gehen Dr. Anja Hanser und ihr Team in ihrer Studie mit dem Titel „Failing Fontan: Folge von Energieverlust und/oder Erkrankung des Lymphgefäßsystems?“ nach. Um den Ursachen des Failing Fontan auf den Grund zu gehen, beabsichtigt die Kinderkardiologin während einer Kontroll-MRT des Herzens auch die thorakalen (im Brustkorb befndlichen) und abdominalen (im Bauch befindlichen) Lymphgefäße von Fontan-Patienten darzustellen. Durch dieses nicht-invasive, kontrastmittelfreie Verfahren lässt sich ermitteln, welche Patienten Veränderungen der Lymphgefäße aufweisen. Zusätzlich soll im Rahmen der MRT der Blutfluss in den herznahen großen Gefäßen mittels einer vierdimensionalen Flusssequenz gemessen werden. Vierdimensional bedeutet, dass der Blutfluss neben einer dreidimensional-räumlichen Aufnahme zusätzlich über die Zeit (vierte Dimension) dargestellt wird. Mit dieser 4-D-Flussmessung können turbulente Strömungen und Verwirbelungen erfasst und anschließend physikalische Berechnungen zur Bewegungsenergie (kinetischen Energie) und deren Änderung im Fontan-Kreislauf erstellt werden.

Basis für Therapieempfehlungen

Ziel der Untersuchung ist, Zusammenhänge zwischen den Symptomen der Patienten, den Turbulenzen und Verwirbelungen des geänderten Blutfusses und den Veränderungen der thorakalen und abdominalen Lymphgefäße nachzuweisen. Durch die Kombination von 4-D-Flussmessung und Lymphgefäßdarstellung in der MRT sollen zuverlässigere prognostische Marker – also Merkmale, die auf die Entstehung eines Failing Fontans hinweisen – etabliert werden. Solche Marker erlauben eine bessere Einschätzung des Risikos für ein Fontan-Versagen und liefern damit die Basis für eine Verbesserung von Therapieempfehlungen, eine Anpassung der Therapieüberwachung und eine gezielte Planung von Katheterinterventionen und/oder Operationen.
 

Forschung für Kinder mit angeborenem Herzfehler: die Gerd Killian-Projektförderung der Deutschen Herzstiftung

Doris Killian hat sich nach dem viel zu frühen Tod ihres Sohnes Gerd entschieden, ihr Vermögen der Deutschen Herzstiftung zu vermachen. Sie verfügte in ihrem Testament, dass die Erträgnisse aus ihrem Vermächtnis der Forschung für Kinder mit angeborenem Herzfehler zugutekommen. Ihrem Willen entsprechend hat die Herzstiftung die Gerd Killian-Projektförderung errichtet, mit der jährlich ein patientennahes Forschungsvorhaben unterstützt wird. 

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Kind auf Schaukel
narvikk - Istock

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