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Chronische Niereninsuffizienz: Eine stumme Gefahr fürs Herz

Warum eine chronische Nierenerkrankung bedrohliche Konsequenzen für Herz und Kreislauf hat.

Kinder halten ein Herz in den Händen, wo die Nieren eingezeichnet sind
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Herz und Nieren sind enger miteinander verbunden, als viele vermutlich wissen. So sorgt das Herz für die Durchblutung der Nieren und die Nieren schützen das Herz vor Überlastung, indem sie unter anderem den Flüssigkeitshaushalt regulieren. Geht es dem einen Organ schlecht, leidet daher auch das andere. Herzerkrankungen können die Niere beeinträchtigen und Nierenerkrankungen können sich wiederum ungünstig auf das Herz auswirken. Besonders die Herzschwäche (Herzinsuffizienz) kann die Nierenfunktion ungünstig beeinflussen. Aber auch ein jahrelanger Bluthochdruck und/oder eine Diabetes-Erkrankung können die Nierenfunktion schädigen. Und arbeitet die Niere schlecht, fördert das wiederum Bluthochdruck und Gefäßablagerungen. Es ist daher besonders wichtig, die Grunderkrankung rechtzeitig festzustellen und zu behandeln.

Die Niere: wichtiges Filtersystem im Körper

Normalerweise hat jeder Mensch zwei Nieren, die sich rechts und links neben der Wirbelsäule am unteren Ende des Brustkorbs befinden. Die wichtigste Aufgabe der Nieren ist es, Giftstoffe aus dem Blut zu filtern. Etwa 300-mal am Tag wird das gesamte Blut des Körpers gereinigt und mit dem Urin werden Gifte und Abfallprodukte ausgeschieden. Darüber hinaus sind die Nieren auch das wichtigste Organ zur Regulation des Blutdrucks: In ihren kleinsten Funktionseinheiten, den „Nephronen“, prüfen winzige Sonden unablässig, mit welcher Kraft das Blut durch die Gefäße strömt. Zudem regulieren die Nieren die chemische Zusammensetzung des Blutes, wirken am Vitamin-D-Stoffwechsel mit und halten die Salz- und Wassermenge im Körper in einer lebenswichtigen Balance.

Fakten zur Niere

Abbildung für medizinische Assistenz
  • Jede Niere wiegt nur rund 140 Gramm.
  • Die Nieren verarbeiten jeden Tag ca. 180 Liter Wasser.
  • Eine Niere ist 4 cm dick, 7cm breit und 11 cm lang.
  • Die Nieren produzieren 90 % des Hormons Erythropoetin.

Niere: Das „4711“- Organ

Die Nieren sind kleine Multitalente im Körper und erfüllen viele wichtige Aufgaben im Körper. Ein kleiner Steckbrief.

Was passiert, wenn die Nieren nicht mehr richtig arbeiten?

Arbeiten die Nieren nicht mehr richtig, können sie ihrer wichtigen Aufgabe nicht mehr gerecht werden. Dann sprechen Mediziner von einer chronischen Niereninsuffizienz. Eine solche chronische Nierenschwäche kann zu verschiedenen Komplikationen führen:

  • Bluthochdruck oder Verschlechterung eines bereits bestehen Bluthochdrucks
  • Störungen des Nervensystems und Knochenstoffwechsels
  • Blutarmut
  • Herzklappenfehler, Herzschwäche, aber auch Herzinfarkt und Schlaganfall durch verkalkte Arterien.
  • Herzrhythmusstörungen bis zum Herzstillstand

Schätzungsweise fünf Millionen Menschen in Deutschland haben eine mehr oder minder ausgeprägte chronische Niereninsuffizienz. Im schlimmsten Fall wird eine Dialyse (Nierenersatztherapie) notwendig, um den Körper von schädlichen Stoffen zu befreien und am Leben zu halten. Dank der Dialyse kann die Niereninsuffizienz heute aber gut behandelt werden. An einem eigentlichen Versagen der Nieren sterben heute nur noch die wenigsten Patienten. Dafür ist eine andere Todesursache in den Vordergrund gerückt: Die meisten Patienten mit einer Nierenerkrankung sterben an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Etwa jeder zweite der chronisch nierenkranken Patienten leidet an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Nierenschwäche ist somit ein eigenständiger und wesentlicher Risikofaktor für eine Herzerkrankung.

Eine chronisch kranke Niere kann nicht mehr richtig filtern. Das Maß ist die „glomeruläre Filtrationsrate“, die Blutmenge, die die Niere pro Minute filtert. Ab einer „mäßigen Niereninsuffizienz“ – das entspricht dem Stadium 3 einer Nierenschädigung – steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Ursachen der chronischen Niereninsuffizienz

Die häufigsten Ursachen, die zu einer chronischen Niereninsuffizienz führen, sind die Langzeitfolgen eines Diabetes und Bluthochdruck. Ebenso haben Menschen mit dem metabolischen Syndrom ein erhöhtes Risiko, eine chronische Nierenerkrankung zu entwickeln.  

Chronische Nierenschwäche: Welche Folgen fürs Herz?

Bei einer Niereninsuffizienz verengen und versteifen die Blutgefäße aufgrund von Ablagerungen. Die Nieren erhalten nicht mehr genug Nährstoffe und Sauerstoff. Das Auffällige: Anders als bei altersbedingten Ablagerungen, die sich langsam bilden, verkalken die Gefäße bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz innerhalb weniger Jahre sehr schnell und sehr stark. Es scheint, dass sich im Gefäßsystem von Nierenpatienten bestimmte Stoffe, etwa Kalzium und Phosphat, verstärkt in den Gefäßwänden ablagern. Auch die Gefäße, die das Herz versorgen, sind dann davon betroffen. Das rasche und massive Verkalken der herzversorgenden Gefäße (Herzkranzgefäße, Koronararterien) führt am Herzen beispielsweise zur koronaren Herzkrankheit. Gerade bei nierenkranken Patienten ist es dann mitunter schwierig, die steifen und verengten Gefäße mit einer üblichen Stentimplantation oder Bypass-Operation zu behandeln.

Auch der Herzmuskel verändert sich bei einer chronischen Nierenerkrankung in typischer und auffälliger Weise. Zum einen verdickt die Muskulatur der Herzwand, es kommt zu einer „Herzhypertrophie“. Zum andern treten im Herzen vermehrt „wertlose“ Bindegewebszellen (Fibroblasten) an die Stelle der hochspezialisierten, kontraktionsfähigen Herzmuskelzellen: Das gesamte Herz „verhärtet“. Dadurch kann sich das Herz nicht mehr richtig entspannen und ausreichend mit Blut füllen – seine Auswurfleistung wird geringer. Eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) ist die Folge. Zugleich geht die verminderte Herzleistung mit einem erhöhten Blutdruck im venösen System (alle Venen des Blutgefäß-Systems, die Blut zum Herzen transportieren) einher. Das schädigt wiederum die Nieren zusätzlich.

Herz und Niere: Therapiemöglichkeiten

Bislang gibt es nur wenige Maßnahmen, mit denen sich die ungünstige Prognose chronisch nierenkranker Patienten verbessern lässt. Ein Beispiel sind Medikamente, sogenannte SGLT2-Inhibitoren. Sie wurden ursprünglich entwickelt, um den hohen Blutzuckerspiegel von Diabetikern zu senken: Die Inhibitoren (Hemmstoffe) sorgen dafür, dass vermehrt Zucker mit dem Urin ausgeschieden wird, daraufhin sinkt die Zuckerkonzentration im Blut. Es zeigte sich, dass derart behandelte Diabetiker weniger häufig wegen einer Herzinsuffizienz ins Krankenhaus mussten. Sie litten auch weniger unter Herzrhythmusstörungen und starben seltener an Herzversagen. Mittlerweile sind SGLT2-Inhibitoren auch zur Behandlung bei chronischer Niereninsuffizienz und Herzschwäche zugelassen – unabhängig davon, ob ein Diabetes besteht oder nicht.

Ein neuartiges Medikament, das Nieren und Herz schützen kann, ist „Finerenon“. Die Substanz ist ein sogenannter nicht-steroidaler und selektiver Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA). Es wurde im Februar 2022 in der EU zu Behandlung bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und Typ-2-Diabetes zugelassen. Bisherige Studiendaten deuten darauf hin, dass sich damit das Fortschreiten der Nierenschädigung bremsen lässt und auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sinkt.

Wie kann man seine Niere schützen?

Weil die therapeutischen Maßnahmen zur Reduktion des Herz-Kreislauf-Risikos nierenkranker Patienten allerdings insgesamt noch begrenzt sind, gilt es, alle Anstrengungen darauf zu richten, eine Niereninsuffizienz gar nicht erst entstehen zu lassen. Entscheidend hierfür ist, Risikofaktoren konsequent auszuschalten. Ein leicht erhöhter Blutdruck etwa kann, wenn er zusammen mit einem Diabetes auftritt, eine Nierenschwäche rascher voranschreiten lassen. Viele Studien zeigen, dass die Normalisierung eines hohen Blutdrucks und die Normalisierung eines hohen Blutzuckerspiegels den erhofften Effekt haben: Eine chronische Nierenschwäche tritt dann weniger häufig auf. Gleiches gilt für die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen. Zugleich wird mit der Behandlung der einschlägig bekannten Risikofaktoren auch die Gefahr gesenkt, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden.

Herz-Tipp:

Wenn eine Herz- und Nierenschädigung gemeinsam vorliegt, sollte nicht nur der Kardiologe, sondern immer auch ein Nierenspezialist (Nephrologe) hinzugezogen werden.

Experte

Prof. Dr. Nikolaus Marx
Bild von Prof. Marx

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Der Artikel ist in der HERZ heute 3/2022 veröffentlicht. Schwerpunkt der Ausgabe ist "Herz & Niere". Ein kostenfreies Probeexemplar können Sie über 069 955128-400 oder "Produkt bestellen" anfordern. Lesen Sie als Mitglied unsere Online-Artikel.

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